Virenkrieg
Roman-Zyklus von Lutz Büge
Incubus – Virenkrieg III
Biowaffen, Geheimorganisationen
und einsame Entscheidungen –
die Menschheit am Rand ihrer Auslöschung.
„Willkommen in einer Welt, in der es keine saubere Trennung
mehr gibt zwischen Gut und Böse, richtig und falsch.“
Frankfurter Rundschau
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Der „war on terror“ – Das Sykes-Picot-Geheimabkommen
In meiner ewigen Hitliste der besten Filme „aller Zeiten“, wie man so sagt, rangiert „Lawrence von Arabien“ auf Platz 2. Regie-Großmeister David Lean hat es verstanden, über die Titelfigur, im Film dargestellt von Peter O’Toole, Einblicke in die arabische Seele zu geben – oder in das, was der Westler Lean dafür hielt. 34 Jahre später veröffentlichte der US-Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington seinen „Clash of Civilizations“, zu deutsch: „Kampf der Kulturen“. Manches davon hat David Lean in „Lawrence von Arabien“ vorweggenommen, etwa wenn er zeigt, wie die Kolonialmacht Großbritannien die Araber für ihren Krieg gegen das Osmanische Reich instrumentalisiert und letztlich demütigt. Obwohl der Film sein Augenmerk hauptsächlich auf die Figur des Lawrence richtet, den Idealisten, der an der Realität scheitert, gelang es Lean mit Gespür für historische Verwerfungen, die Situation der islamischen Welt zur Zeit des Ursprungs des modernen Islamismus nachzuzeichnen. Islamismus war zwar damals noch kein Thema für den Westen. Wer sich den Film heutzutage ansieht, der sieht ihn allerdings mit anderen Augen als ein Zuschauer des Entstehungsjahrs 1962.
Virenkrieg-Autor Lutz Büge
schreibt auf Ybersinn.de über
die Hintergründe seines Romanzyklus.
Hier kommt eine Schlüsselszene aus dem Film. Erster Weltkrieg, Naher Osten. Das Osmanische Reich liegt in seinen letzten Zuckungen. Dazu hat auch der englische Offizier T.E. Lawrence beigetragen, indem er dem Aufstand der Araber die Richtung wies. Nun wird er von General Allenby – demselben, nach dem eine Jordan-Brücke benannt ist, die in Evan – Virenkrieg IV eine Rolle spielt – und dem britischen Diplomaten Dryden empfangen. Soeben verlässt der arabische Anführer Fürst Faisal den Raum, nicht ohne Andeutungen über einen Vertrag zu machen, den Briten und Franzosen geschlossen haben. Lawrence will wissen, was das zu bedeuten hat. Dryden erklärt:
„Mister Sykes ist ein englischer Zivilbeamter, Monsieur Picot ist ein französischer Zivilbeamter. Mr. Sykes und Mr. Picot trafen sich und haben beschlossen, dass nach dem Kriege Frankreich und England das türkische [osmanische] Reich unter sich aufteilen, einschließlich Arabien. Sie haben ein Abkommen unterzeichnet, keinen Vertrag, Sir. Ein Abkommen! In diesem Sinne.“
Natürlich ist „Lawrence von Arabien“ keine historische Dokumentation. David Lean gönnte sich viele künstlerische Freiheiten bei der Gestaltung seines Stoffes. Das befähigt ihn dazu, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Doch was ist nun wahr von dem, was da erzählt wird? So etwas wie dieses Sykes-Picot-Abkommen sollte wohl besser Fiktion bleiben, nicht wahr?
Grafik: Ian Pitchford
via Wikicommons
Dieses Abkommen ist jedoch historische Realität, auch wenn das heute kaum noch jemand weiß. Es wurde tatsächlich zwischen zwei „Zivilbeamten“ – sprich: Diplomaten – ausgehandelt und am 16. Mai 1916 geschlossen. Sie hießen Mark Sykes und François Georges-Picot, und ihr Werk hatte verheerende Folgen mit Auswirkungen bis heute. Während die Briten den Arabern einerseits die arabische Unabhängigkeit in Aussicht gestellt hatten, teilten sie andererseits insgeheim das arabische Territorium zwischen sich und den Franzosen auf. Sie zogen Grenzen, wo zuvor keine gewesen waren, und demütigten ihre arabischen Verbündeten, deren Interessen in dem Abkommen praktisch komplett ignoriert wurden.
Das Abkommen ist ein Paradebeispiel für eine diplomatische Fehlleistung im Geist von Kolonialismus und Unilateralismus.
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Mark Sykes (l.) und François Georges-Picot.
Bilder: Wikicommons (gemeinfrei)
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Die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich glaubten, sie könnten die Grenzen künftiger Mandatsgebiete nach Belieben ziehen, völlig egal, wer in diesen Gebieten lebte, ohne Rücksicht auf regionale, ethnische und kulturelle Eigenheiten. Das erzeugte große Unzufriedenheit bei den Betroffenen und massive Unruhen. „Die Kolonialherren waren nicht in der Lage, eine stabile Ordnung für die dort lebenden Völker zu etablieren“, heißt es über die Folgen lapidar auf Wikipedia.
Das Abkommen kann als eine der Ursachen für die Konflikte in der Region gelten, aus denen der Nahost-Konflikt entstand. Damit ist es eine der Ursachen für Islamismus und Terrorismus. Denn was tun Menschen, die einerseits ihren Stolz haben (und kaum mehr als dies) und die andererseits erleben müssen, wie über ihre Köpfe hinweg über sie entschieden wird? Sie beginnen, jene zu hassen, die sich über sie erheben, und nach Wegen zu suchen, ihren Stolz zu bewahren. Zur Abgrenzung vom Anderen, Fremden wird von alters her gern die Religion genommen. Niemand sollte sich wundern, dass die koloniale Attitüde der Herren Sykes und Picot die islamische Orthodoxie stärkte. Es ist das alte Schema von Unterdrückung, das noch nie zu etwas Gutem geführt hat, nirgends. Gewalt erzeugt Gegengewalt. So einfach ist das – und trotzdem hat es diese Binsenweisheit bis heute nicht geschafft, in die Zirkel der Mächtigen vorzudringen, dorthin, wo die Entscheidungen getroffen werden, die unsere Welt (ver-) formen.
Hatten die beiden „Zivilbeamten“ die möglichen Folgen ihres Handelns nicht bedacht? Das war nicht ihre Aufgabe. Was sie taten, taten sie im Geist des Kolonialismus, obwohl dessen Ära sich dem Ende zuneigte. In „Lawrence von Arabien“ verkörpert der großartige Claude Rains diesen Geist in der fiktiven Figur des zynischen und skrupellosen Diplomaten Dryden. Mehrere reale historische Charaktere fließen in dieser Figur zusammen, auch Facetten des Diplomaten Mark Sykes sind erkennbar. Auf Wikipedia gibt es einen Artikel, der die Dryden-Figur scharf analysiert. Das vernichtende Ergebnis: Der kurzfristige Erfolg ist Dryden wichtiger als langfristige Folgen.
Es ist keine Überraschung, dass Altmeister David Lean Machtmenschen derart kritisch zeichnet. Das hat er schon in „Die Brücke am Kwai“ getan und ebenso in „Doktor Schiwago“, allesamt Meilensteine der Filmgeschicht. Viel eher ist überraschend, dass kaum jemand die Wurzeln des Islamismus in dieser kolonialen Selbstherrlichkeit erkennen will.
Nächste Woche: Immer ist der Westen schuld!
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