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Der Fall Edwin Drood (2003)
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„Was geschah dann?“
„Dann kam Edwin Drood herein.“
„Sie meinen den heiligen Drood?“
„Keine Ahnung, ob er heilig war oder was sonst. Ich gebe allerdings zu,
dass er ein bisschen gespenstisch aussah, und sein Auftritt war etwas
ungewöhnlich. Er kam nämlich durch die Tür.“
„Sie meinen dieselbe Tür, die Mr. Datchery vorher verschlossen hatte?“
„Ja. Er versuchte
uns davon zu überzeugen, dass er eine Romanfigur sei.“
„Was Sie ihm auch sofort glaubten, wie jeder vernünftige Mensch.“
„Natürlich nicht!“
„Der heilige Drood beharrte indessen?“
So ist es. Er behauptete allen Ernstes, die Hauptfigur eines Romans von
Charles Dickens zu sein – und zwar eine UNERLÖSTE Hauptfigur. Stellen
Sie sich das mal vor! Der Typ flehte uns an, seinen Fall endlich zu lösen, damit er Ruhe fände.“
„Hielten Sie das für eine plausible These?“
„Quatsch. Frank und ich lachten natürlich. Frank fand die Idee hübsch, sich als
Widergänger auszugeben. Er hat ein gewisses pubertäres Faible für
Gespenstergeschichten. Ich dagegen musste lachen, weil ich dahinter einen dummen,
leicht durchschaubaren Jokus des Reiseveranstalters vermutete.“
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Ein verschlafenes Nest im England des 19. Jahrhunderts: Ein sportlicher Vikar, der bei seiner Mutter wohnt, ein exotisch-schönes Geschwisterpaar aus den Kolonien, ein opiumsüchtiger Kantor und sein reizender Neffe — das Ensemble wirkt idyllisch. Doch dann geraten die Bewohner des Städtchens Cloisterham in Aufruhr. Edwin Drood, der Neffe des Kantors, verschwindet spurlos … Und dann kommt ein Typ namens Lutz Büge und bringt die ganze schöne Welt der Fans von good ole Charles Dickens nach Kräften durcheinander.
Der Fall Edwin Drood (2003) entstand im Auftrag des Männerschwarm-Verlags, bei dem ich von 1998 bis 2006 veröffentlichte: Der Verlag engagierte mich, um den Fragment gebliebenen Roman “The Mystery of Edwin Drood” von Charles Dickens zu komplettieren. Ich war keineswegs der erste, der das tat; daran hatten sich auch schon Größen wie Fruttero & Lucentini und andere versucht. Ich war allerdings der erste, der den Roman in einer schwulen Version zu Ende schrieb, was vor mir niemand erwogen zu haben schien, obwohl Handlung und Personal das durchaus nahelegen. Das war eine spannende Arbeit, zumal Meister Charles Dickens zu meinen bevorzugten Autoren gehört. Ich habe das Fragment in weiten Teilen sogar neu übersetzt.
Die Rezensionen in der Frankfurter Rundschau (auch hier) und im Tagesspiegel (online nicht erhältlich) waren voller Lob; dort schrieb Dirk Fuhrig: “Lutz Büge entwirft mit überbordender Lust an kühnen Konstruktionen ein abenteuerliches Szenario.” Das trifft es. Dass meine Version des Stoffes klassischen Dickens-Fans nicht schmecken konnte, war mir im Voraus ebenso klar wie gleichgültig.
Der Fall Edwin Drood. Roman. Hardcover. MännerschwarmSkript Verlag Hamburg 2003. 334 Seiten. ISBN 3935596162. Vergriffen.
Taschenbuchausgabe., MännerschwarmSkript Verlag Hamburg 2008. 332 Seiten. ISBN 9783939542230. Vergriffen.
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