Als Verleger, der zudem auch noch einen anstrengenden Hauptjob hat, kommt man leider nicht viel zum Lesen. Zumal wenn man einen derart produktiven Autor wie Lutz Büge hat, der sieben Romane in fünf Jahren veröffentlicht hat. Aber trotzdem möchte ich das Ohr ein wenig am Puls der Zeit haben. So nahm ich mir das neue Buch von Bestsellerautor Marc Elsberg vor. Über dessen „Blackout“ hatte ich mich seinerzeit ziemlich geärgert. „Blackout“ ist allerdings ein gutes Beispiel dafür, dass ein schlechtes Buch doch spannend sein kann. In Hinsicht auf den neuen Roman „Helix“ hatte ich daher keine Illusionen. Dann machte ich allerdings schon nach wenigen Seiten eine erstaunliche Entdeckung: Gewisse Ideen kamen mir bekannt vor.
Marc Elsbergs „Helix“ – ein Ärgernis
Zwei Bücher, eine Ausgangssituation: Politiker werden mit einer personalisierten Biowaffe ermordet. In beiden Fällen wird zunächst ein Herzversagen als Ursache diagnostiziert. Folgende Zitate stelle ich direkt einander gegenüber:
„Virenkrieg“ von Lutz Büge ist Ende 2013 als E-Book erschienen und im Juli 2015 in der Printversion (mehr Info: –> HIER). „Helix“ von Marc Elsberg erschien 2016.
Da hat offensichtlich einer dieselbe Idee gehabt wie „Virenkrieg“-Autor Lutz Büge. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sie unabhängig von Lutz gehabt haben könnte. Es ist sogar möglich. Vielleicht. Aber ich frage mich: Wie wahrscheinlich ist so etwas?
Genau genommen geht Lutz‘ Idee einer personalisierten Biowaffe bereits auf die Jahre 1999 und 2000 zurück, als die Urfassung von „Virenkrieg“ entstand. Dieser Roman wurde allerdings nie veröffentlicht. Er dient nun als Vorlage für den „Virenkrieg“-Zyklus, von dem bisher zwei Romane erschienen sind: „Virenkrieg – Erstes Buch“ und „Skylla – Virenkrieg II„, das Ende April 2017 in der gedruckten Fassung erscheinen wird. Skylla ist der Name des Virus, das die zweite Komponente des oben beschriebenen Biowaffensystems darstellt — in Elsbergs Worten: „ein maßgeschneidertes Modell, das exakt den Außenminister treffen sollte“. Mit dem Unterschied, dass es in „Virenkrieg“ vorwiegend gegen islamische Hassprediger eingesetzt wird. Jedenfalls zunächst.
Wo ich schon dabei bin, noch ein paar Worte zur Einordnung von „Helix“. In diesem Roman dient der Biowaffenmord am US-Außenminister als Vehikel, um eine Geschichte über genmanipulierte Kinder zu erzählen; die Biowaffe spielt im weiteren Verlauf der Erzählung nur noch eine ungeordnete Rolle.
Das Buch ist ein typischer Elsberg. Der Autor baut einen Plot auf, bei dem einem Angst und Bange werden könnte – und bei dem der Leser ein gewisses Maß an Toleranz aufbringen muss, wenn es um die Plausibilität geht: Ein Wunderkind, das mit sieben Jahren aussieht wie eine Pubertierende und schon am MIT forscht, zum Beispiel. Dass Logik im Verlauf einer Erzählung nicht zu den Stärken Elsbergs gehört, hat man schon in seinem Buch „Blackout“ feststellen können, wo es am Ende richtig ärgerlich wird.
Bei „Helix“ fragt man sich, ob Bestseller-Autoren nicht mehr lektoriert werden? In dem Buch sind Schlampigkeiten, die so nicht passieren sollten: Das fängt schon beim Umschlagtext auf der Rückseite an (den wohl der Verlag Blanvalet verantwortet): „Der US-Außenminister stirbt bei einem Staatsbesuch in München.“ Staatsbesuche machen nur Staatsoberhäupter oder Regierungschefs.
Weitere Beispiele für solche Schlampigkeiten: „Geräte und Zutaten bekommst du für ein paar Euro online.“ Euro in den USA! Oder: „Sie waren inzwischen beim Du“. Im englischen Sprachraum. Und dann wird auch noch flugs ein „Nobelpreis in Physiologie“ eingeführt. Wie gesagt, nur ein paar Beispiele.
Anderes ist wesentlich ärgerlicher, etwa die wundersame Gleichzeitigkeit einer Person an weit voneinander entfernten Orten. Jessica, die Protagonistin, befindet sich in Louisville/Kentucky. Einerseits. Das Haus eines Verdächtigen ist gestürmt worden. „Wir kommen“, erklärt (!) Jessica kurzentschlossen. Sie hat in einem Wagen vor dem Haus des Verdächtigen gewartet. Die Stürmung wird zugleich im Weißen Haus am Bildschirm verfolgt: „Jessica und die anderen im Situation Room wechselten Blicke …“
Problematisch wird es, wenn der Autor die Intelligenz seiner Leser beleidigt. Beispiel: Der Außenminister ist in München unter mysteriösen Umständen gestorben. Die Protagonistin, die dabei war, wird auf dem Rückflug darüber informiert, dass man unmittelbar nach der Landung ins Weiße Haus müsse. „Hat das mit Jacks Tod zu tun?“, fragt sie. Und der Leser fragt sich: Womit sonst, du Dummerchen? Unglaubhaft ist zudem, dass sie, die versucht hat, den Minister wiederzubeleben, der Präsidentin begegnen darf. War da nicht was mit einem Verdacht auf Vireneinsatz? Jessica gehört eigentlich in Quarantäne.
Oder: Die Protagonistin ist kurz zu Hause, um sich frisch zu machen. In den Nachrichten wurde vom Tod des Außenministers berichtet, bei dem sie dabei war. Da fragt der Gatte, weil sie gleich wieder weg muss: „So wichtig, dass du nach einer Auslandsreise nicht mal mit deinen Kindern und deinem Mann frühstücken kannst?“
Bei so viel Dämlichkeit möchte man das Buch weglegen. Es gibt noch Einiges dieser Art. Hanebüchenes aber schadet dem Status als Bestseller-Autor nicht. Da liest auch mancher Kritiker darüber hinweg.
Als Fazit bleibt: Marc Elsberg hat (wenn nicht adaptiert) eigentlich gute Ideen – nur bei der Umsetzung hapert es. Ebenso mit dem Schreiben.
Marc Elsberg: Helix. 646 Seiten, Blanvalet 2016, 22,99 Euro
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