Effizienz oder Die kalte Erika
Ein Krimi mit Abstrichen
Ich finde Krimis langweilig. Meistens. Insbesondere solche, die nach dem Schnitzeljagd-Schema funktionieren: Wer hat’s getan? Gegenfrage: Wen interessiert das? Es mag unterhaltsam sein, aber was bleibt übrig, nachdem Du die letzte Zeile gelesen hast? Was nimmst Du mit? Also hab ich mir gedacht: Ich schreib mal einen Krimi. Einen, der vielleicht gerade noch in die Genre-Schublade „Krimi“ passt. Einen Grenzgänger. Immerhin, es gibt eine Leiche. Die ist überdies zersägt worden, und zwar bereits vor langer Zeit. Ihre Teile wurden tiefgefroren und eingelagert. Jetzt tauchen sie wieder auf, entsorgt in öffentlichen Mülleimern der Stadt Offenbach. Die Frage ist nun nicht nur: Wer? Sondern auch: Was soll das? Und schon sind wir drin in den ersten Andeutungen eines Familiendramas, das ich hübsch plakativ
Die Mittenbach-Saga
nenne und das durchaus etwas, ich verrate es gleich, von „Denver-Clan“ hat. Es beginnt mit Erika, einer Mittenbach, die jetzt tiefgefroren wieder auftaucht, nachdem sie Mitte der 1960er Jahre in Argentinien verschwunden ist. Später wurde sie für tot erklärt. Das trifft definitiv zu. Der Offenbacher Tratsch spricht schon bald mehr oder weniger liebevoll von der „kalten Erika“.
„Noah schläft“ ist mein aktueller Roman.
Mehr dazu HIER.
Lesungen:
Open Air auf dem Aliceplatz, Offenbach
5. Oktober, 15 Uhr
Stalburg Theater Frankfurt
Bascha Mika präsentiert das Buch,
Lutz Büge liest.
7.11., 20 Uhr
Bei manchen Ybersinn-Leserinnen und -Lesern klingelt da vielleicht etwas? Schon im Jahr 2011 habe ich eine „Weihnachtsgeschichte“ veröffentlicht, die jetzt an den Anfang von „Effizienz oder Die kalte Erika“ (Arbeitstitel) gerückt ist. In einer Version von 2015 habe ich die ursprüngliche Dramatik etwas zurückgestutzt, doch auch damals ging es unter anderem um Müll – ein bleibendes Thema in Offenbach, der Stadt, in der ich lebe und in der ich meinen „Krimi“ ansiedle. Und da es nun mal nicht einfach um „Whodunit?“ (wer ist es gewesen?) gehen soll, was langweilig wäre, macht „Effizienz oder Die kalte Erika“ ein großes Fass auf: Strukturwandel. Das ist etwas, was andauernd passiert. Zum Beispiel in meinem Brotjob in den Medien, die heftig damit zu kämpfen haben, dass viele Menschen sich mit dem, was sie im Netz aufschnappen, ausreichend informiert fühlen. Tatsächlich aber sind sie nur ausschnittweise informiert. Sie bewegen sich in einer Blase und merken es nicht. Das ist überall zu beobachten. Auch in Offenbach.
Ich habe jetzt, Ende September 2023, die Rohfassung von „Effizienz oder Die kalte Erika“ abgeschlossen. Die To-Do-Liste ist mehrere Seiten lang. Wie immer, wenn ich einen Roman schreibe. Bin ich am Schluss angekommen, darf ich wieder vorn anfangen.
Die Stadt und der Müll
Offenbach, Mai 2023
Foto: Lutz Büge
Die Geschichte spielt in Offenbach, es geht unter anderem um Müll, und ich habe mir zwei sehr gegensätzliche Hauptfiguren ausgedacht, die erstaunlicherweise gut miteinander können: den gestandenen Journalisten Achim Plibischonka, in Kennerinnenkreisen auch „Die Zunge“ genannt, und den türkischstämmigen Jungkommissar Mesut Yıldırım, der sich seine Sporen noch verdienen muss, bevor er einen Spitznamen tragen darf. Achim gräbt in Offenbach einen Skandal aus, der mit der Lederindustrie und der Vergangenheit der Stadt zu tun hat. Leder war mal prägend in Offenbach, bis der gesamte Wirtschaftszweig im vergangenen Jahrhundert abgewickelt wurde. Stichwort Strukturwandel. Das ist das Thema dieses Buchs. Im Zuge der Globalisierung gab es andere Länder, in denen dieselben Waren günstiger produziert werden konnten. Doch auch Achims Leben ist von einem Strukturwandel geprägt, denn derzeit verändert sich die Medienlandschaft rasant. Achim nimmt noch den „Fluktuationsanreiz“ beim Ausscheiden aus der Redaktion mit – ein Wort, das auch mal Unwort des Jahres hätte sein dürfen. Ausgerechnet jetzt, als „Plibi“, wie Freunde ihn nennen dürfen, in den Unruhestand startet, tauchen die Leichenteile von Erika auf.
Mesut Yıldırım steht eigentlich auf der anderen Seite: Er ist Kriminalkommissar, seit Kurzem. Frisch von der Polizeischule, erste Destination: Offenbach. Polizei und Presse können nicht so richtig miteinander, das ist bekannt, aber der junge Deutschtürke ist ein bisschen anders. Sein erster Fall, die „kalte Erika“, ist allerdings ein „cold case“. Darunter versteht man Altfälle, die eigentlich wegen Unaufklärbarkeit zu den Akten gelegt wurden. Aber nun tauchen da diese Leichenteile auf, und die Boulevardpresse wähnt ein „Sägemonster“ am Werk. Die Spur führt in die 1960er Jahre – und mitten hinein in die Geschichte der Offenbacher Industriellenfamilie Mittenbach.
So weit zur Eröffnung des Themas. Von einer Veröffentlichung ist der Roman noch weit entfernt, und es ist auch noch nicht entschieden, wo und wie er erscheint. Ich wollte Euch trotzdem mal wissen lassen, woran ich dieser Tage gearbeitet habe. Meinem Generalthema „Selbstbehauptung“ bleibe ich treu. Es hat schon in meinem Erstling „Uschi, Lotte und Amerika“ den Ton angegeben, grundierte auch meinen „Virenkrieg„-Zyklus, und in „Noah schläft“ wird die gesamte Menschheit vor die existenzielle Frage gestellt, wie sie sich behauptet. Diese Frage wird mich gewiss auch künftig beschäftigen, weil die Anforderungen weiterhin herausfordernd sind. Das ist auch in „Effizienz oder Die kalte Erika“ so: Warum kann nicht alles so bleiben, wie es ist? Warum gibt es Strukturwandel? Braucht der Mensch so was? Ist das höhere Gewalt – oder was soll das?
Ebenfalls von Lutz Büge:
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