Wegen der Magenschmerzen

Jetzt wird aufgeräumt!
Was sich über Jahrzehnte in unseren Regalen und Schubladen,
in Kellern und Abseiten angesammelt hat, soll endlich weg.
Doch mit vielem verbinden sich Erinnerungen.
Die wollen wir natürlich nicht wegwerfen.
Die Bilderserie Aufräumen dokumentiert diese Erinnerungen
als Geschichten mitten aus dem Leben.

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Wegen der Magenschmerzen

Von Ulrike Spitz

Im Kopf war bei der Farbe grün noch der Jägermeister. Bei genauerem Hinsehen erwies sich die Blechdose aber als Underberg-Box. Deshalb wird das hier auch nicht die Jägermeister-Geschichte (die ebenfalls interessant wäre), sondern die Underberg-Geschichte. Ich habe keine Ahnung, wie ich zu dieser Dose komme – fünf Fläschchen sind sogar noch drin. Ich behaupte mal, ich habe sie so bekommen und keine getrunken, auf jeden Fall sind sie Jahrzehnte alt. Ich habe so eine Ahnung, wo sie herkommen könnten. Ich verbinde damit einen früheren Redakteurs-Kollegen – aber er hat weiß Gott nicht nur Underberg getrunken, das war nur seine Notlösung. Sein Liebling war Whiskey und zwar in diesen großen Whiskey-Gläsern, bei denen man eigentlich nur unten einen oder zwei Fingerbreit eingießt. Er machte sie stets voll, und leerte sie in bewundernswerter Schnelligkeit.

Aber zurück zum Underberg. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts war ich mit ihm auf Dienstreise von Freiburg nach Südtirol. Er saß am Steuer, zwei weitere Kolleg:innen waren mit von der Partie. Kurz vor Donaueschingen murmelte er etwas von Magenschmerzen vor sich hin. Und dann: „Kannst du mal hinten schauen, da liegen ein paar kleine Fläschchen Underberg. Ich glaube, ich brauch jetzt mal einen. Wegen der Magenschmerzen.“  Da lagen in der Tat ein paar, ich sag mal, mindestens zehn. Ob ich oben das Papier abreißen und den Deckel öffnen könne. Klar, konnte ich. Er klemmte sich die Flasche zwischen die Zähne, warf den Kopf kurz nach hinten, und leer war das Ding. „Ok“, dachte ich, „ein Underberg ist ja nicht so schlimm.“  Eine gute halbe Stunde später kam erneut das Gemurmel von den Magenschmerzen. Und dann ging es in die gleiche Prozedur, the same procedure…. Papier ab, Deckel ab, Kopf nach hinten und fertig.

In Meran, als wir das Ganze vielleicht sechsmal durchgespielt hatten, wechselte plötzlich die Ampel auf rot. „W…, rot“, brüllte der direkte Beifahrer und W. drückte auf die Bremse, der Wagen schleuderte in die Kreuzung – aber wie durch ein Wunder hatten alle anderen angehalten, so dass er einfach wieder aufs Gas drückte und wir unfallfrei Bozen erreichten, unser Ziel. Es war übrigens meine letzte Fahrt mit dem Kollegen – schon für die Heimreise hatte ich mir eine andere Fahrgelegenheit organisiert, durchaus komplizierter und der letzte Rest per Zug, aber dafür ohne Underberg und Schleudereien.

P.S. Die Box steht vor dem Ausmisten. Wer die Dose samt Inhalt haben will – gerne hier melden.Ulrike Spitz, geboren 1956 in Donaueschingen, war aktive Leistungssportlerin (Skilanglauf).

Von 1981 bis 1993 war sie Redakteurin der Badischen Zeitung in Freiburg (Ressort Sport), danach bis 2007 bei der Frankfurter Rundschau (ab 2002 Ressortleiterin).

Bis 2010 arbeitete sie als Leiterin Kommunikation für die Nationale Antidopingagentur (Nada) und ab 2015 bis 2021 als Pressesprecherin und Leiterin Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Sie lebt in Offenbach.

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