Ich habe im Lauf meines Lebens viele schlechte Bücher gelesen. Da kam es auf ein weiteres nun auch nicht mehr an. Immerhin habe ich diesmal schon nach wenigen Seiten bemerkt, dass ich es mit einem wirklich richtig schlechten Buch zu tun hatte. Früher war mein Urteilsvermögen hingegen manchmal getrübt durch Interventionen von Freunden: „Kennst du nicht? Musst du lesen! Ganz große Klasse!“ Aber weißt Du was: Ich muss gar nichts! Wenn ein Buch Scheiße ist, dann ist es Scheiße. Egal, wie viele Leute es toll finden.
Terroristen-Bashing mit Frederick Forsyth
Ich bin ja immer neugierig auf Texte von Autoren, die in meinem Terrain wildern. Frederick Forsyth, der so gern als Großmeister des Polit-Thrillers bezeichnet wird und der doch nur ein einziges wirklich nennenswertes Buch geliefert hat, nämlich den Klassiker „Der Schakal“, hat es nun wieder versucht. Zuletzt scheiterte er vor einigen Jahren mit „Der Afghane“, aber er gibt eben nicht auf, versucht er doch weiterhin, sich an Größen des Genres wie John le Carré („Der Spion, der aus der Kälte kam“) zu messen. Jetzt hat er einen neuen, bei Bertelsmann verlegten „Thriller“ namens „Die Todesliste“ vorgelegt. Politisch, moralisch und ethisch fragwürdig, von jeglichem dramaturgischem Talent völlig unbeleckt, unpointiert und psychologisch unstimmig in allen Bereichen, in denen es nicht um militärischen Corps-Geist geht, ist „Die Todesliste“ vor allem eines: Sturzlangweilig.
Dabei ist die Idee gar nicht mal blöd — wobei ich aber nicht weiß, ob Mr. Forsyth die Nicht-Bödheit der Idee, die ich „gar nicht mal blöd“ finde, überhaupt bemerkt hat. Sein Plot ist simpel: Ein offensichtlich verführend böser Hassprediger, denn so sind die ja nun mal, versendet seine dschihadistischen Predigten von Somalia aus übers Netz, verbunden mit der Aufforderung, möglichst viele wichtige Menschen in den USA und in Großbritannien umzubringen. Dafür ist natürlich der Aufenthalt im Paradies gewährleistet und so weiter, ob man will oder nicht. Ein Dutzend frustrierter junger Muslime in beiden Ländern kommt der Aufforderung relativ unverblümt nach, wobei sich Forsyth nicht einen Moment für deren Psychologie oder Motive interessiert. Es ist einfach so. So kann dann in diesen Ländern auch flott der Geheimdienstapparat auf Touren kommen. J-SOC, TOSA, SAS — dem Leser fliegen all die operativen Abkürzungen nur so um die Ohren.
Die Idee, die ich gar nicht mal blöd finde, ist die: Forsyths Held, der „Spürhund“, der mal so heißt und mal so, je nachdem, welchen Pass er gerade in der Tasche hat, in welchem Land er sich befindet und mit wem er aktuell verhandeln muss, dieser „Kit Carson“ nutzt die „special intelligence“ der ihm zur Verfügung stehenden Geheimdienste, um einen Filmclip zu produzieren, in dem der „Prediger“ parodiert und vor der islamistischen Welt unmöglich und absolut lächerlich gemacht wird. Was für eine herrliche Idee! Warum muss dieser „Kit Carson“ dann noch in eine Hercules C 130 steigen und aus 25000 Fuß über Somalia mit einer Hardcore-Fallschirmspringer-Einheit abspringen, um den „Prediger“ von Mann zu Mann umzubringen? Hätte er ihn doch nur der islamistischen Gerechtigkeit überlassen!
Kurz gesagt: Das Material, aus dem dieser lachhafte „Thriller“ gestrickt ist, taugt für eine Kurzgeschichte von zehn Seiten. Bemerkenswert ist, wie bitterernst es Forsyth meint. Sein Stil ist militaristisch, frei von jeder ironischen Brechung, geradezu infantil in seiner Vertrauensseligkeit in Militär und Geheimdienste. Er begibt sich auf ein Terrain jenseits jeder Rechtsstaatlichkeit und auch des Völkerrechts, indem er Drohnenattacken auf den „Prediger“ in den Kreis der Optionen einbezieht. Es sind nicht moralische, ethische oder juristische Gründe, die dem drohnenbasierten Raketeneinsatz letztlich im Weg stehen, sondern rein praktische: Bei den letzten Einsätzen wurden zu viele Zivilisten getötet; das sollte sich nicht wiederholen, denn das ist nicht gut fürs Image. Viel wichtiger ist, dass „Kit Carson“ seine Eier behält. Besondere Obacht wird darauf gelegt, bevor die britische Fallschirmspringer-Spezialeinheit einen schwedischen Milliardärssohn aus der Hand somalischer Piraten befreit. Die Fallschirmgurte nämlich schnüren links und rechts der männlichen Weichteile durch den Schritt. Im Fall von Fehlgurtierung ist mit Konsequenzen zu rechnen. Ganz unter uns gesagt: Ohne diese Information hätte ich kaum weiterleben können. Ich bin aber auch kein Fallschirmspringer.
Das schlechteste Buch des Jahres: Frederick Forsyth, „Die Todesliste“. C. Bertelsmann, München. Hardcover, 320 Seiten. Knapp 20 Euro. Geh lieber schön essen.