Hey Leute, es gibt Redestoff.
Über Schubladen.
Was ist Science Fiction?
Etwas, was bei vielen Menschen
sofort in einer Schublade landet.
Bei der Suche nach einem Verlag
für Noah schläft haben wir diese Erfahrung gemacht:
Sobald die Rede darauf kam,
dass die Arche zur Erde zurückkehrt,
wobei die Arche in diesem Fall ein Raumschiff ist,
schlossen sich die Schubladen mit Getöse,
und es hieß: Wir machen keine Science Fiction.
Raumschiff – Science Fiction.
So einfach ist das.
Noah schläft
HIER – mein neuer Roman.
Was ist eigentlich ein Raumschiff?
Klar, da hast Du gleich Bilder vor Deinem geistigen Auge. Riesige Sternenkreuzer aus „Star Wars“, filigrane Spermien wie die Enterprise aus „Star Trek“, rotierende Kreiselkompasse wie die Orion in „Raumpatrouille“. Wunder der Technik – und zum Teil auch der Überwindung physikalischer Grenzen wie der Lichtgeschwindigkeit. Das ist nötig, um fremde Welten zu erreichen und das Reich der Fantasie zu erweitern, und da darf man mitunter nicht allzu genau nachfragen, wie das wohl funktioniert. Worauf es ankommt: Es darf fabuliert werden, dass es funktioniert. Warum auch nicht? Im Mittelalter haben Menschen mörderische Energie darauf verwendet, sich die Kreise der Hölle auszumalen, inklusive Fegefeuer und allem Drum und Dran. Irgendwo muss die Fantasie von uns Menschen also wohl hin.
Als erstmals ein Mensch einen anderen Himmelskörper betrat, wurde ein Raumschiff namens Columbia benutzt, um ihn und zwei weitere Astronauten mit Apollo 11 dorthin zu bringen. Dieses archaische, nachgerade gefährliche Dings mit seinen dünnen Wänden, das einem von der Schwerkraft der Himmelskörper diktierten Kurs folgte, ohne selbst – abgesehen von ein paar allerdings entscheidenden Momenten – manövrieren zu können, war gleichwohl tatsächlich ein Raumschiff. Es war im Weltraum, es beförderte Menschen, konnte gar für ihr Überleben während des Fluges sorgen – voilà, ein Raumschiff. Keine Science Fiction, sondern Science Faction. Tatsachen, geschaffen durch Wissenschaft in Begleitung von Ingenieurskunst, politischem Willen und Abenteuerlust.
Wir haben also zwei Typen von Raumschiffen: die, die es schon gibt – das aktuelle Mondprogramm der USA, Artemis, knüpft an Apollo an -, und die, die es noch nicht gibt und vielleicht nie geben wird, die aber trotzdem in unseren Vorstellungswelten mehr präsent sind als die Columbia der Apollo-Serie. Die einen sind real, die anderen sind fiktiv, aber beiden ist etwas gemeinsam: die Idee von Mobilität ins Dorthinaus.
Es gibt sicher Menschen, die eine Vorstellung davon haben, was Lichtgeschwindigkeit ist (nämlich rund 300.000 Kilometer pro Sekunde, also etwa 1.080.000.000 Kilometer pro Stunde). Die meisten von uns können sich das sicherlich nicht vorstellen. Es hakt ja schon bei dem Versuch, sich vorzustellen, dass ein Raumschiff wie die Columbia auf der Spitze ihrer Rakete, die sie da hochdonnert, überhaupt erst einmal eine Geschwindigkeit von 28.000 Kilometern pro Stunde erreichen muss, um in einen stabilen Erdorbit zu gelangen. Von da an fliegt sie in eineinhalb Stunden einmal um die Erde. Menschen können so was nicht aus eigener Kraft. Raumschiffe brauchen Schub dafür. Um dann allerdings den Erdorbit zu verlassen und Richtung Mond aufzubrechen, brauchte die Columbia weiteren Schub. Mit etwa 40.000 km/h wurde sie auf den Weg zum Mond geschickt. Unvorstellbar, nicht wahr?
Raumschiffe sind Metaphern für eine ins nahezu Unvorstellbare gesteigerte Mobilität. Das gilt für die Raumschiffe der Historie ebenso wie für die fiktiven Raumschiffe, die ich aufgezählt habe. Die fiktiven verkörpern einen Menschheitstraum: Mit ihnen kann man jederzeit mit Leichtigkeit überall hingelangen. Die realen, historischen sind ein bisschen schwerfälliger, aber immerhin ist es Menschen gelungen, mit ihnen zum Mond zu gelangen, und damit ist das, was Jules Verne, einer der ersten großen Science-Fiction-Autoren, mit zwei Romanen in den Jahren 1865 und 1870 („Von der Erde zum Mond“, „Reise zum Mond“) vorweggenommen hat, Wirklichkeit geworden. Weitere Schritte werden folgen.
Ich habe daher nicht die geringsten Skrupel, in der Arche Allerdings aus meinem Roman Noah schläft einen Typ von Raumschiff zu präsentieren, der die ganze Metaphorik um die Mobilität auf die Spitze treibt. Archen wie die Allerdings sind seit Milliarden von Jahren im Universum unterwegs, um im Auftrag des H’rrn Geschöpfe zu retten (was nicht dasselbe ist wie Lebewesen), und dafür legen sie binnen Sekunden Millionen von Lichtjahren zurück, brauchen dann aber für den Anflug – ironisches Detail am Rande, die Mobilität bremsend – viele Tage, um ans Ziel zu gelangen, weil sie innerhalb von Sonnensystemen die Struktur des Raums nicht falten dürfen. Hat der H’rr so befohlen!
All diese Ideen, die hier so nebeneinander einherschwirren, sind auf dem Stand der gegenwärtigen theoretischen Physik, mit ein paar Ausflügen hierhin oder dahin. Drüber zu schreiben, ist Fiction. Das gilt für jede Form von Literatur, vom Krimi bis zur Pilcher-Schnulze. Alles Fiction. Ich bevorzuge für das, was und wie ich schreibe, die Eingruppierung als Science Faction. Und da es das als Schublade so nicht gibt: Liebe Leute, lüftet mal Eure Schubladen!
Das gilt insbesondere für die deutschen Verlage.