Die ungewöhnlichste Reise meines Lebens (2)

Menschen kriegen Kinder, Autoren kriegen Romane. Das soll nun nicht heißen, dass Autoren keine Menschen wären. Aber ihre Romane sind jedenfalls keine Kinder. Nicht im biologischen Sinn. Man kann jedoch bildhaft sagen: Die Romane wachsen beim Schreiben heran und bereiten dabei ebenso Probleme wie schöne Momente. Und wenn ein Roman geschrieben ist, kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem der Autor ihn loslassen und in die Welt entlassen muss. Sieben Mal habe ich diesen Prozess in den vergangenen fünf Jahren durchlebt, und manches meiner Babys ist ziemlich böse geworden.

Dafür gab ich mein Bestes.

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Die ungewöhnlichste Reise meines Lebens (2)

(Anmerkung vorab: Dieser Reisebericht erschien am 29. Januar 2013 auf Ybersinn.de. Er wurde für diese Neuveröffentlichung ganz leicht überarbeitet. Und hier kommt noch der Link zum ersten Teil dieses Reiseberichts.)

Und weiter geht’s mit der Feluke „Canada“ auf dem Nil, unterwegs von Assuan nach Luxor in einer der ältesten und spannendsten Kulturregionen dieser Welt: auf dem Oberlauf des Flusses hinein ins Herz des alten Pharaonenreichs.

Im ersten Teil dieses Reiseberichts habe ich schon zart angedeutet, dass die Wohnverhältnisse an Bord der „Canada“ beengt waren. Wie beengt, das sieht man hier ganz gut: Das mit Matratzen belegte Bootsdeck, auf dem sich hier der spätere Ybersinn-Hauptstadtkorrespondent lasziv räkelt (und dabei auf Abstand zu Andreas‘ Käsemauken achtet), misst in etwa 2 x 3,5 Meter — höchstens. Am linken Rand ist noch ein Styck des Schiffsjungen zu sehen, der das Ruder fest in der Hand hat. Dieses Deck war während jener Woche unser Lebensraum, auch unser Schlafplatz. Die Mannschaft dagegen, bestehend aus Kapitän Nadi und seinem Schiffsjungen, nächtigte unter dem Bootsdeck.

Nein, nicht hinter dieser Luke. Das wäre menschenunwürdig.  Dort, im Bug der „Canada“, hat Kapitän Nadi lediglich alles verstaut, was er braucht, um Frühstück machen zu können.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass wir Vollpension gebucht hatten? Das ist nicht ganz unwichtig an Bord eines Schiffes, das den ganzen Tag über auf dem Nil unterwegs ist. Wende über Wende, um gegen den zunächst steten Nordwind anzukreuzen — denn wir wollten ja nach Norden! Das führte zu mancher Schieflage, wie später noch zu sehen sein wird. Außerdem führte es aber auch dazu, dass die „Canada“ nirgends anlegte, wo wir uns eventuell hätten verpflegen können. Wir waren also komplett in der Hand von Kapitän Nadi, seinem Schiffsjungen und Reiseleiter Hassan. Ich bin ihnen bis heute dankbar, dass sie uns nicht verhungern ließen.

Auf dem folgenden Bild ist der erste von mehreren Schritten zu sehen, wie Kapitän Nadi sich für uns ins Zeug legte.

Wie sehen ihn hier in Verhandlungen mit zwei Nilfischern, deren Fang, wie man unschwer erkennen kann, nicht allzu reichlich ausgefallen war. Nadi hatte ihr Boot mit dem Ruf „Rais — mak samak?“ herangerufen. Ich kann das nur lautmalerisch wiedergeben. Angeblich bedeutet das: „Herren, habt ihr Fisch?“ Sie hatten Fisch, wenn auch nicht gerade viel.

Während Nadi mit den Fischern verhandelte, erläuterte Reiseleiter Hassan uns deren Fangmethoden. Jedes Mal nämlich, wenn einer dieser unerhört bulligen, brummenden Nilkreuzfahrtschiffe den Nil hinab- oder hinaufschnauft, scheucht deren Krach alles, was unterhalb der Wasserlinie lebt, Richtung Flussufer — und da warten dann die Fischer. Wie gut, dass es die Kreuzfahrtschiffe gibt!

Ich weiß bis heute nicht, was Nadi den Männern für den Fang gezahlt hat. Es wird hoffentlich genug gewesen sein. Dann aber gibt es mehrere Fotos, die den Kapitän der „Canada“ bei den zum abendlichen Menü hinführenden Schritten zeigen. Hier beispielsweise nimmt er gerade einen der gekauften Nilbarsche aus. Und auf dem Bild rechts sehen wir ihn in seiner Küche an Bord der „Canada“, wie er den Fisch frittiert.

Als Betreiber einer Website, die sich dem Fisch gewissermaßen geradezu verschrieben hat — wenn auch eher dem Orakelfisch –, meine ich, aus der Erinnerung sagen zu können, dass ich nie köstlicheren Fisch gegessen habe. Aber bevor ich das Mahl in seinen Details näher beschreibe, möchte ich darauf hinweisen, dass Kapitän Nadi auf diesem Foto auf etwas sitzt. Dieses Etwas ist der Abschluss des Bootsdecks, das uns Bewohnern der „Canada“ als Wohn-, Ess- und Schlafzimmer diente. Jedem aufmerksamen Beobachter wird aber auffallen, dass es unter diesem Deck — da, wo Nadis Beine verschwinden — Hohlräume gibt. Dort nämlich schliefen Nadi und sein Schiffsjunge — unter Deck, wie gesagt.

Da sieht er ein bisschen gequält aus, unser Kapitän. So was ist mit Sicherheit ein anstrengender Job — obwohl wir drei Touristen bestimmt keine anstrengende Gästeschaft waren. Aber es gehört auf jeden Fall etwas dazu, aus den einfachsten Mitteln, die Nadi zur Verfügung standen, so etwas zu zaubern:

Dass wir übrigens keine überzogen anspruchsvolle Gästeschaft waren, kann man aus folgendem Foto lesen. Denn da es am Nil an Spüylmaschinen mangelt, greift man dort gern zu einer billigen, einfachen und zudem reinlichen Säuberungsmethode: zu Flusssand.

Und nimmt dabei gern Gäste zu Hilfe. Dieselben Gäste allerdings genossen es, am nächsten Tag wieder Wende über Wende zu erleben, während die „Canada“ gen Luxor strebte. Auf diesem Foto darfst Du Dir die Füße des abgebildeten Zeitgenossen auf einem Niveau vorstellen, das etwa einen halben Meter höher liegt als sein Kopf zum Zeitpunkt der Aufnahme.

Fortsetzung folgt.

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