Menschen kriegen Kinder, Autoren kriegen Romane. Das soll nun nicht heißen, dass Autoren keine Menschen wären. Aber ihre Romane sind jedenfalls keine Kinder. Nicht im biologischen Sinn. Man kann jedoch bildhaft sagen: Die Romane wachsen beim Schreiben heran und bereiten dabei ebenso Probleme wie schöne Momente. Und wenn ein Roman geschrieben ist, kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem der Autor ihn loslassen und in die Welt entlassen muss. Sieben Mal habe ich diesen Prozess in den vergangenen fünf Jahren durchlebt, und manches meiner Babys ist ziemlich böse geworden.
Dafür gab ich mein Bestes.
Die ungewöhnlichste Reise meines Lebens (1)
(Anmerkung vorab: Dieser Reisebericht erschien am 26. Januar 2013 auf Ybersinn.de. Er wurde für diese Neuveröffentlichung ganz leicht überarbeitet.)
Es gibt Dinge, die hat man schon lange vor, aber aus irgendwelchen Gründen … Zum Beispiel wollte ich mir seit einer gefühlten Ewigkeit einen Dia-Scanner anschaffen. Nachdem das üendlich erledigt war, möchte ich Dich nun mitnehmen auf eine Reise, von der Du schon lange geträumt hast, ohne es zu wissen. Eine Reise, die ich vor 15 Jahren lange vorgehabt hatte: eine Reise auf dem Nil.
Der Nil ist der ungewöhnlichste Fluss der Welt. So wie hier in der Nähe von Assuan in Oberägypten rückt die Wüste zwar nur selten an seine Ufer vor, aber wo auch immer Du Dich auf dem Nil befindest, ist sie nicht weit. Du bist umgeben von Wüste, während Du der Lebensader Ägyptens folgst. Selbst an den breitesten Stellen des Niltals ist sie höchstens ein Dutzend Kilometer entfernt, ausgenommen nur das Delta. Wie das Licht der untergehenden Sonne die Felsen auf dem Foto glühen lässt, während sich im Wasser noch der blaue Himmel spiegelt und sich Palmen und Gestrüpp an die kargen Hänge klammern, veranschaulicht diesen Gegensatz, der Ägypten immer geprägt hat.
Die meisten Touristen sind wohl mit solchen Schiffen auf dem Nil unterwegs – siehe links. Diarrhoe ist da programmiert. Oder mit solchen wie hier rechts zu sehen.
Angeblich ist auch immer noch jener Dampfer im Einsatz, auf dem die legendäre Agatha Christie-Verfilmung „Tod auf dem Nil“ gedreht wurde.
Wir jedoch hatten ein anderes Vehikel gebucht, das noch einen winzigen Tick abenteuerlicher war. Man kann es durchaus als Nussschale bezeichnen:
Der freundlich winkende Herr an Bord hieß Nadi und war der Kapitän der „Canada“, und eben diese „Canada“, eine Feluke, war für die folgende Woche unser Zuhause. Genauer gesagt: das Zuhause von sechs Mann. Außer uns drei Touristen segelte nämlich noch Reiseleiter Hassan mit uns und Nadis Schiffsjunge. Aber zugegeben: Im Profil wirkt die „Canada“ größer als von vorn.
Die Reise sollte von Assuan nach Luxor gehen. Rund 200 Kilometer auf dem Nil, ein Leben … fast hätte ich geschrieben: im Rhythmus der Gezeiten. Was natürlich Blödsinn ist, denn der Nil hat keine Ebbe und Flut. Aber er hat seine Geschwindigkeit, oh ja. Und eine seiner vielen Eigenarten ist, dass er gegen den Wind fließt. Meistens jedenfalls. Er fließt in die Richtung, aus der der Wind kommt: Norden. Das bedeutete für uns an Bord der „Canada“, das fleißig gegen den Wind angekreuzt werden musste, und so bekam unser Leben an Bord tatsächlich einen gewissen Rhythmus — den Rhythmus der Wenden.
Wer mich ein bisschen kennt, der weiß, dass ich kein Typ bin, der es sonderlich schätzt, wenn ihm gleich zu Beginn des Tages die volle Packung Morgensonne ins Gesicht knallt. Sonderbarerweise war das während dieser Reise völlig anders. Siehe zum Beleg das nebenstehende Foto. Okay, wirst Du jetzt vielleicht sagen — dann war ich also einfach froh, dass die Nacht um war? Na ja, es war natürlich gewöhnungsbedürftig, so unter freiem Himmel zu schlafen, dicht an dicht gepackt wie die Sardinen, im eigenen Schlafsack; einer meiner Mitreisenden rollt den seinigen hier gerade zusammen.
Das Bootsdeck diente nämlich als Speise-, Wohn- und Schlafzimmer. Maße: etwa 2 x 3,5 Meter. Um auf dieser begrenzten Fläche zu viert – drei Touristen und Reiseleiter Hassan – Platz zum Schlafen zu haben, wurde ein kleiner, duftiger Trick angewendet: Wir lagen nicht Kopf an Kopf oder Schulter an Schulter, sondern Schulter an Füße. So kam es, dass ich dauernd Andreas‘ Füße im Gesicht hatte. Besonders in der ersten Nacht konnte ich das nicht so richtig angenehm finden, denn er hatte Käsemauken. Das besserte sich in den folgenden Nächten. Käsemauken haben es schwer, wenn sie den ganzen Tag an der frischen Luft sind. Soll heißen, an Bord wurden natürlich keine Schuhe getragen. Auch zur Sicherheit, denn Fußsohlen sind rutschfester als die allermeisten Schuhsohlen.
Es wird früh hell, es wird früh dunkel. Geweckt wirst Du vom Ruf des Muezzins, der in einem der Dörfer in der Nähe zum Gebet ruft, und während die Mannschaft am, Flussufer ihre Gebetsteppiche ausrollt, döst Du noch ein bisschen weiter und spürst, wie Du langsam geerdet wirst vom breiten, ruhigen Strom und seinem Takt. Während der Fahrt liegst Du an Deck, über Dir bläht sich das Segel der Feluke, und die Ufer des Nils gleiten an Dir vorbei. Mal bieten sie sich dir so dar:
Und dann aber auch wieder so:
Fortsetzung folgt.
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