Neulich wurde ich angesprochen: „Lutz, Du schreibst Science Fiction — warum schreibst Du nicht auch mal was über die Zukunft?“ Etwas ratlos antwortete ich: „Das mach‘ ich doch die ganze Zeit!“ Darauf die junge Frau: „Du schreibst darüber, was in 150 Jahren ist, aber das erlebe ich ja nicht mehr. Ich finde viel interessanter, was in 20, 30 Jahren sein wird oder was Du für 2050 vorhersiehst.“ Sie hielt mich also offenbar für eine Art Propheten! Vielleicht weil ich neulich hier im Ybersinn-Interview gefragt wurde, ob ich prophetisch begabt sei, worauf ich „Ja“ geantwortet hatte? Liebe Leute, das war ironisch gemeint! Ich glaube, ich muss da mal was richtigstellen und anlässlich des Erscheinens von Teil 3 meines neuen Romans „Virenkrieg“ Farbe bekennen.
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Science Fiction und die Zukunft
Das Jahr 2001 ist verstrichen, ohne dass wir, wie Stanley Kubrick 1968 in seinem Film „2001 — Odyssee im Weltraum“ es vorhersagte, einen Monolithen auf dem Mond gefunden haben und zum Jupiter geflogen sind. Auch haben wir keine Raumstationen in der Erdumlaufbahn, die so hübsch vor sich hin rotieren, dass an Bord Schwerkraft entsteht. Noch immer hatten wir keine „unheimliche Begegnung der dritten Art“, wie 1977 von Steven Spielberg angedacht, und auch wenn es noch ein paar Jährchen hin sind bis 2019, dem Jahr, in dem „Blade Runner“ spielt, kann man doch schon heute mit einiger Sicherheit sagen, dass die Autos bis zum Jahr 2019 noch immer nicht das Fliegen gelernt haben werden. Was vermutlich auch ganz gut so ist.
Sie haben also alle versagt, die großen Visionäre des Science-Fiction-Kinos. Hätten sie doch besser von Anfang an auf Geschichten gesetzt, die erstens weit in der Zukunft und/oder in weit, weit entfernten Galaxien spielen, wo Imperien Todessterne bauen und Jedi-Ritter mit Lichtschwertern durch die Gegend wirbeln wie anno dunnemals d’Artagnan und seine Gespielen. Auf Geschichten also, die ganz einfach Märchen sind, aber keine Science Fiction. Oder hätten sie doch nur darauf verzichtet, so klare Vorhersagen zu machen. Sicher, von 1968 aus war das Jahr 2001 noch weit, weit entfernt, so weit wie manche Galaxie …
Ich rede Unsinn. Zuerst einmal ging es weder Kubrick noch Spielberg noch Ridley Scott in den genannten Filmen darum, für ein bestimmtes Jahr klare Vorhersagen über Technologien zu machen, die der Menschheit dann zur Verfügung stünden. Sie alle haben die Möglichkeiten, die ihnen das Science-Fiction-Genre bot, genutzt, um etwas über ihre jeweilige Gegenwart und über den Menschen auszusagen. Wohin Selbstüberschätzung und Fremdenfeindlichkeit führen kann, beispielsweise. Zum anderen muss man diese Werke klar abgrenzen von Space Operas wie „Krieg der Sterne“, in denen zwar oft genug allzu menschliche Konflikte ausgetragen werden — im Grunde ist der ganze „Krieg der Sterne“ nichts anderes als eine ins Uferlose gedehnte Vater-Sohn-Beziehungskiste –, die aber trotz futuristischer Kulissen und Aktionen eigentlich überhaupt nichts Visionäres an sich haben. Dieselbe Geschichte könnte man beispielsweise im alten Rom erzählen, dieselbe Geschichte steht schon in der Bibel. Für mich ist „Krieg der Sterne“ keine Science Fiction.
Science-Fiction entwirft – häufig in der Zukunft verortete, teilweise auch räumlich entfernte – Konstellationen des Möglichen, beschreibt deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Menschen und reichert reale wissenschaftliche und technische Möglichkeiten mit fiktionalen Spekulationen an.
So steht’s bei Wikipedia. In der Science Fiction geht es also gar nicht zwangsläufig um Raumschiffe und Weltraumabenteuer, sondern es geht darum, Aussagen über die Gegenwart zu treffen, indem — laut Definition — Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Menschen beschrieben werden. Und natürlich geht es um Wissenschaft und Technik. Insofern sind alle meine E-Books, die ich 2013 herausgebracht habe, Science Fiction, selbst „Der Osiris-Punkt“, obwohl es darin um das alte Ägypten und um Archäologie geht; doch Archäologie ist eine Wissenschaft, also „science“, und die Suche nach dem wahren Grab des Sethos ist Fiktion auf der Basis sorgsam recherchierter Fakten.
„Genetics“, das zweite 2013 erschienene E-Book aus dem Hause Büge, ist natürlich dem landläufigen Verständnis von Science Fiction am nächsten, allein schon deswegen, weil der Roman 150 Jahre in der Zukunft in einem hochtechnisierten Genlabor spielt. Aber man soll sich nicht täuschen: Trotz allen technischen Fortschritts herrschen in der künstlichen Gesellschaft von Block Arkansas, eben jenes Genlabors, archaische Zustände. Die Gesellschaft der Tics dort unten in Block Arkansas verharrt seit 150 Jahren in einer Art Stillstand; das einzige, was sich weiter entwickelt, sind die genetischen Varianten der Tics, die ständig aktualisiert werden. Das ist kein wirklicher Fortschritt, im Gegenteil, das ist ständiger Rückschritt, weil permanent Menschenrechte in einem unfassbaren Ausmaß verletzt werden. Das wiederum aber lässt Aussagen über die geistige Verfassung derer zu, die Block Arkansas erbaut und im Jahr 2023 verschlossen und versiegelt haben — also Aussagen über unsere Gegenwart.
Mein aktueller Roman „Virenkrieg“ spielt ebenfalls in der — nahen — Zukunft. Heute erscheint Teil 3, und hier schlägt das Kubrick-Syndrom voll durch. Jan Metzner fliegt nach Ägypten und landet mitten im Bürgerkrieg zwischen der von Salafisten unterwanderten Muslimbruderschaft und dem Militär. Hoppla, wirst Du da vielleicht denken — hatten wir das nicht gerade erst? Genau! Im Ägypten des Jahres 2024, so wie ich es entwerfe, herrschen wieder — oder immer noch — Zustände, wie sie im realen Ägypten des Jahres 2013 herrschten. Wobei es allerdings auch kleine Unterschiede gibt.
Kubrick-Syndrom, das meint so was wie „Missverständnis“: Ich will mit diesem Szenario keine Vorhersage darüber treffen, welche Zustände in der arabischen Welt und speziell in Ägypten im Juni 2024 herrschen werden. Aber für den Fortgang meines Romans brauche ich die arabische Welt in Aufruhr, so wie Kubrick seine lieblich rotierende Orbitalstation brauchte, um ein Raumschiff gen Jupiter zu schicken. Und zwar brauche ich die arabische Welt gespalten, hin- und hergerissen zwischen Radikalität und dem Wunsch nach friedlicher Koexistenz, ich brauche sie in demselben Zustand, in dem sie seit Jahrzehnten ist. Kairo ist das Prisma, mit dem ich hier auf die arabische Welt blicke.
Die Luftschlacht über Kairo, die ich in Teil 3 beschreibe, wird es so hoffentlich nie geben. Sie ist eine literarische Verdichtung des Zustandes, in dem sich Teile der arabischen Welt heute befinden. Sie ist Fiktion und Realität zugleich. Und auch wenn darin keine neuartigen Waffen oder Technologien zum Einsatz kommen, ist sie Science Fiction, weil ich mich zu dieser Verdichtung von einem berühmten politikwissenschaftlichen Buch habe inspirieren lassen, nämlich „Clash of Civilisations“ von Samuel P. Huntington, das einer der Impulsgeber für den „Virenkrieg“ ist.
Nun ist er also da, der dritte Teil vom „Virenkrieg“. Lasst uns das Tempo anziehen! Und nun soll es auch zur Sache gehen, was die Viren betrifft …
„Verehrte Herren, lassen Sie mich nun zum Punkt kommen. Welche Kriterien zeichnen ein echtes Killervirus aus? Ich glaube, es sind vier:
Erstens: Hohes Ansteckungspotenzial. Es kann leicht übertragen werden. Unübertroffen ansteckend ist das Pocken-Virus, aber auch Influenza-Viren wie H5N1 können das gut.
Zweitens: Hohe Sterbequote mit dem Potenzial, selbst das beste Gesundheitssystem zum Zusammenbruch zu bringen. Unübertroffen: das Marburg-Virus mit bis zu 90 Prozent Toten.
Drittens: Mieses Image. Unser Killervirus löst Panik aus und lässt das gesellschaftliche Zusammenleben zum Erliegen kommen.
Viertens: Kein Gegenmittel. Es steht kein Impfstoff zur Verfügung und es kann in der Eile auch keiner hergestellt werden. Im Idealfall sollte es sich also um ein unbekanntes Virus handeln, das noch nicht erforscht werden konnte.
Und damit kommen wir zum Kern dieser Veranstaltung, sehr geehrte Herren, denn ich hätte hier etwas für Sie, hier in diesem kleinen, unscheinbaren Hochsicherheitsbehälter …“
Auszug aus den SCOUT-Protokollen, März 2017
Böse? Das war erst der Anfang. Mehr gibt es –> HIER.
Virenkrieg – Erstes Buch. Ybersinn-Verlag Offenbach. Paperback. Ca. 440 Seiten. 14,90 Euro.
ISBN: 9783981738803.
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